Die Nacht schickte sich an über die Burg hereinzubrechen, die Sonne verschwand langsam, fast widerwillig hinter den Wäldern und räumte das Feld, die Wärme auf den Pflastersteinen und den alten Burgmauern lies sie als Abschiedsgeschenk, als Trost zurück. Ich saß auf der schulterhohen Mauer welche die kurze Treppe zur großen schweren Tür, die den Eingang in den Haupttrakt der Burg ausmachte, säumte. Gedankenverloren schaute ich auf Lejah, die Lug, meinen Falken, auf der abgegrasten Wiese neben dem gepflasterten Burghof trainierte. Sie schwang einen aus alten Leder- und Hasenfellfetzen bestehenden Ball an einer langen Lederleine über ihren Kopf. Federspiel, nennt sie dieses selbstgebastelte Spielzeug für die Falken. Sie hatte ein Stück Hühnchenfleisch zwischen den Fellfetzen befestigt, als Belohung für Lug. Laut und klar war ihr Ruf und Lug stieß sich von seinem Platz, einem niederen Baumstumpf ab, kreiste über Ihrem Kopf und beobachtete das schwingende schleudernde Federspiel. Mit einem Mal stieß er herab und packte das Bündel mit seinen Krallen, drückte es zu Boden und begann sofort mit seinem spitzen Schnabel das Hühnchenfleisch herauszureißen um sich daran gütlich zu tun. Langsam ging Lejah auf den fressenden Falken zu und wickelte die Leine auf. Als er fertig gefressen hatte und seinen Kopf hob um sich umzusehen, pfiff sie so leise, dass ich es nur hören konnte, weil eine leichte Windbö den Schall zu mir trug. Wieder stieß er sich ab und flatterte mit dosierten Flügelschlägen auf ihren lederbewährten Arm. Sie lobte ihn, ich erkannte es an ihrem zufriedenen Lächeln und den sich bewegenden Lippen, kraulte seinen Bauch und setzte ihm dann seine Kappe auf. Mit dem Falken auf dem Arm kam sie auf mich zu, als sie mich da sitzen sah, schüttelte sie tadelnd den Kopf. „Gwen, eigentlich solltest Du mit Deinem Falken trainieren, nicht ich." rügte sie mich mit sanfter Stimme. „Er soll sich doch an Dich gewöhnen. Er ist sehr klug und gelehrig, es macht großen Spaß mit ihm." Mein Lächeln scheiterte wohl kläglich, denn ihr Blick schlug um von Tadel in Sorge und sie setzte sich kurzerhand neben mich auf die Mauer. Sie sagte nichts weiter, sondern schaute mich nur an. Lug saß ganz ruhig auf ihrem Arm und drehte sein hübsches Köpfchen um in alle Richtungen zu lauschen. Seine hellen Bauchfedern bauschten sich im leichten Wind und es schien als würde er es genießen. Ich schluckte hart und legte den Kopf auf die Knie. Schweigend saßen wir nebeneinander und ich fühlte Lejahs Blick im Rücken. Sie wartete geduldig ohne zu drängeln, doch als ich auch nach Minuten des Schweigens keine Anstalten machte zu erzählen, drückte sie mit ihrer freien Hand meine Schulter und rutschte wortlos von der Mauer. Ich lauschte den leisen sich entfernenden Schritten und hörte das Knarren der alten Tür. So blieb ich alleine sitzen und schaute der sich verabschiedenden Sonne zu, genoss die Restwärme die sie als Trost zurück lies und wartete auf die Nacht. Die Wachen lösten sich am Burgtor ab und passierten mich mit einem stillen Gruß. Gerade so, als würden sie es nicht wagen, die fast andächtige Stille zu durchbrechen. Ich nahm die Männer nur aus den Augenwinkeln wahr, starrte geistesabwesend auf den Turm in dem Mandragor Domizil bezogen hatte. Mandragor… was hatte er mir Schauer über den Rücken gejagt. Gerade breitete sich innerlich ein Lächeln aus, als mir bewusst wurde, dass es niemanden mehr gab, mit dem ich über seine Schandtaten lachen und empört sein konnte, niemanden dem ich mein Herz ausschütten konnte, wenn ich mich im alltäglichen Burgleben aufregte. Keine Nymphe, die mir mit ihren Scherzen die Zeit vertrieb und mich anstiftete dem Burgherren das Leben schwer zu machen. Keine Jasmin mit der ich stundenlang zusammensitzen konnte, mal schweigend mal lachend und plappernd. Keine Doris Christine mehr die ich bewundernd beobachten konnte, in ihrer selbstlosen Art Jasmin zu dienen. Die treue Kiko, die ohne Rücksicht auf ihr Leben das meine gerettet hatte… weg. Mein guter Freund, Sir Takashi, der stets Rat wusste und es verstand mir den Blick für die wirklich wichtigen Dinge zu schärfen… weg. Ich schüttelte diese traurigen Gedanken ab, doch das Vermissen lies mich nicht los. So versuchte ich mich damit zu trösten, dass zumindest Sylvi bald wieder zurück kehrte und rutschte von der Mauer. Ich schlich wie ein Schatten in den Turm hinauf um meinen Herrn aufzusuchen. Die einzige Konstante hier auf der Keltenstein.